
Agota Kristof // Hier
Tobias Sandor lebt als Einwanderer irgendwo in Frankreich oder der Schweiz, arbeitet in einer Uhrenfabrik und schreibt tagebuchartig über sein Leben. Mit dem Wort Hier, Gestern, fangen viele seiner Texte an. Ein Buch über das Leben von jemandem, der irgendwie abgestöpselt zu sein scheint.
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- darum lesen: einfache, klare Sprache, #ownvoice über das Dasein als Immigrant
- darum nicht lesen: schrecklich depremierend, fragwürdige Charaktere
Agota Kristof ist selbst Immigrantin, kam aus Ungarn, lebte in der Schweiz, arbeitete selbst in einer Uhrenfabrik und schrieb auf Französisch. Da könnte man direkt autobiographische Züge vermuten. Nun, in gewisser Weise ist ja ohnehin jeder Text auch immer ein bisschen autobiographisch. Das, was sie in Hier thematisiert, zieht sich auch durch ihre anderen Werke: Das Leben als Einwanderer, Armut, Träumereien, Lügen, Hoffnungen.
Bei Sandor drückt sich die Hoffnung auf ein besseres Leben in erster Linie in Sehnsucht nach seiner Kindheitsliebe aus. Und wie viel von dem, was er da so erzählt wahr ist, was eingebildet ist und was schlicht und ergreifend Lüge, wird nie ganz klar. Er weiß ja noch nicht einmal selbst, wer er eigentlich ist. Sandor oder dieser Junge aus dem ungarischen Dorf? Und seine Liebe, heißt sie Line oder Yolande oder ganz anders? Was ist überhaupt Wahrheit?
Ich bin ehrlich, ganz durch gestiegen bin ich nicht. Dafür ist mein Französisch dann doch noch nicht gut genug. Und was haben die Absätze zu bedeuten? Die vielen Weißräume? Und warum eigentlich werfen sich diesem Kerl, der außer seiner Traurigkeit nichts anzubieten hat, eigentlich so viele Frauen an den Hals? Oder ist das nur die Wahrnehmung des Charakters?
Deswegen mag ich auch gar nicht viel über diess Buch schreiben. Ich mochte es nicht sonderlich, denn mir war die Gewschichte zu depremierend (was für ein hoffnungsloses Ende) und die Charaktere zu arschig. Wie Line von ihren Männern behandelt wird: brr. Und wie sie sich selbst verhält. Warum sollte jemand so viel Zeit mit seinem Stalker verbringen? Und warum wird dieses dysfunktionale Verhältnis nicht irgendwie thematisiert? Nun, wie gesagt: möglich, dass mir manches durch die Lappen ging, aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse.
Agota Kristof // Hier
Reclam-Ausgabe 2002, 1995
Reclam
139 Seiten

