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Colin Urquhart // Mein Liebes Kind …

Die Liebe Gottes klingt nach einem einfachen und schönen Thema. Ist es aber keineswegs. Mein Liebes Kind von Colin Urquhart ist schon das zweite Buch zu diesem Thema, das ich nicht empfehlen kann.

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  • Darum lesen: Teilweise schöne Texte mit heilsamem Charakter
  • Darum nicht lesen: Lieblos gestaltet, teilweise nicht bibelkonform, übertrieben prophetischer Anspruch
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Colin Urquhart wurde von Gott beauftragt, das Buch Mein liebes Kind zu schreiben. Sagt er. Damit wäre er ein Prophet und zwar einer wie Jeremia, Elia oder Hesekiel. Immerhin ist dieser Auftrag für Urquhart die Legitimation, dieses Buch zu schreiben und zu veröffentlichen. Nun ist es nicht meine Aufgabe, das in Frage zu stellen. Nur finde ich es problematisch, diese Aussage an den Anfang eines Buches zu stellen. Der Leser wird das Buch entweder direkt auf den Müll schmeißen oder dem Buch eine zu große Autorität einräumen. Bei diesen Optionen, würde ich eher den Müll empfehlen.

Gibt es überhaupt Propheten?

Es ist nicht unumstritten, ob es heutzutage überhaupt noch Propheten gibt. Zumindest solche, die mit der Vollmacht Gottes ganz allgemeine Botschaften für die gesamte Menschheit haben. Selbst im Neuen Testament war das bereits problematisch und beispielsweise Paulus und Barnabas gießen nicht einfach einen Haufen göttlicher Weisheit über fremde Menschen aus, sondern lassen sich Zeit. Sie verbringen viel Zeit mit den Menschen, lernen sich gegenseitig kennen und bleiben auch nach seiner Abwesenheit in Briefkontakt. Und: Gott verifizierte das, was sie sagten, indem er sie befähigte, Zeichen und Wunder zu tun (Apostelgeschichte, 14,3). Ich finde: wer angibt, Gott habe ihn direkt beauftragt, eine Botschaft weiterzugeben, sollte sich an Paulus und Barnabas ein Vorbild nehmen.

Erzählperspektive: Gott

Das Buch Mein liebes Kind nimmt die Perspektive Gottes ein und spricht zum Leser als „Mein liebes Kind …“. Das unterstreicht den Anspruch, eine direkte Botschaft Gottes zu sein natürlich recht deutlich. Und dann sagt Gott jede Menge über Liebe, Weisheit, Heilung, Freude, Heiligkeit und so weiter. Diese Aussagen basieren lose auf der Bibel, die entsprechenden Stellen zu den einzelnen sehr kurzen Kapiteln (maximal eineinhalb Seiten, oft wenige Zeilen und in zwei Fällen sogar nur eine Überschrift) sind hinten im Buch aufgeführt. Hätte man auch gleich zum Kapitel schreiben können, das hätte es dem Leser einfacher gemacht, in der Bibel zum Thema nachzulesen.

Das wirft den Verdacht auf, dass der Leser das gar nicht unbedingt soll? Wäre halt aber wichtig, gerade bei dem Selbstanspruch des Autors, es dem Leser möglichst einfach zu machen, die Dinge, die Urquhart Gott in den Mund legt, zu überprüfen.

Die Grundaussage ist, dass Gott dich, lieber Leser liebt. Und das ist natürlich keineswegs eine schlechte Botschaft. Sie ist sogar sehr gut und sicherlich auch wahr. Urquhart schreibt das eindringlich und stellenweise fast schon meditativ. Aber dass in der Bibel wirklich jedes Wort wahr sein soll? Gibt diese theologische Meinung. Kein Problem. Nur spricht „Gott“ hier auf eine Weise, die keine andere Meinung zulässt. Schon klar, Urquhart behauptet halt, Gott habe dieses Buch genauso diktiert, wie die Bibel.  Ich finde, da hätte Herr Urquhart etwas zurückhaltender sein sollen und nicht seine eigene theologische Sichtweise als ultimative Wahrheit aus Gotts Mund darstellen sollen. 

„Wer will sich über mich stellen, um mich zu richten? Wer wagt es, über die Worte meines Sohnes zu richten oder das in Frage zu stellen, was unter der Eingebung meines Geistes aufgeschrieben worden ist? Kann es sein, dass einige ihre Meinung über mein Wort stellen? Was für ein Stolz! Was für eine Anmaßung!“

Ja, danke. Gleichfalls.

Wie auch immer, das, was Urquhart schreibt, wirkt oftmals arg dogmatisch, selbstgerecht und manipulativ. Solche Aussagen kann man nur bringen, wenn man der Meinung ist, direkt von Gott beauftragt worden zu sein.

Mein liebes Kind: hier ein schlechtes Layout für dich

Vom Inhalt mal abgesehen: Das Layout von Mein liebes Kind ist furchtbar, Völlig unklar, warum der Text manchmal nach einer halben Seite auf die nächste umspringt. Weißraum ist schön, wirkt so aber eher fehlerhaft. Die Kapitel sind zwar grob gegliedert. Diese Gliederung hätte man dem Leser aber auch verraten können. Hätte dazu beitragen können, dass sich der Leser auch nur zu einem bestimmten Thema Gottes Worte hätte durchlesen können. Ansonsten ist das ganze Buch halt im hässlichen 80er-Jahre-Stil. War das Anfang der 90er, als das Buch erschien, noch zeitgemäß?

Wer ist Colin Urquhart?

Colin Urquhart ist ein englischer evangelikaler Pastor, Prediger oder eben Prophet, der in den 60ern und 70ern Teil der charismatischen Erweckung in England war. Spätestens seit den 80ern war er international ziemlich umtriebig und bekannt, hat auf zahlreichen Konferenzen gesprochen. Auf diesen Konferenzen haben einige Menschen Heilungswunder erlebt. Nun, das könnten wenigstens die in der Bibel geforderten Zeichen eines Propheten sein.

Seine Kirche Kingdom Faith Church leitet inzwischen sein Sohn Clive Urquhart, aber natürlich ist Colin noch involviert. Was er macht, ist kein Beruf sondern eher Berufung.

[lightgrey_box]Zum Thema Liebe Gottes habe ich übrigens noch ein anderes schlechtes Buch besprochen: Die Liebe Gottes. Wird eigentlich Zeit, endlich auch mal ein gutes vorzustellen, oder?[/lightgrey_box]

Colin Urquhart // Mein liebes Kind…
4. Auflage 1993 // 1990
Verlag Gottfried Bernard // Hodder & Stoughton
253 Seiten

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