
Carl Sagan // Cosmos
Wow, habe ich viel gelernt. Und immer wieder dachte ich mir: wenn meine Lehrer früher den Stoff so präsentiert hätten, hätte ich mich vielleicht drauf einlassen können. Schon klar, war meine eigene Verantwortung. Aber Carl Sagan macht das halt einfach gut. Schreibt locker flockig, beinahe prosaisch. Er schreibt über so viel mehr als nur den Kosmos. Geschichte, Evolution, ein bisschen Biologie und Chemie, Religionskritik, etwas Philosophie, etwas Science-Fiction, Gesellschaftskritik …
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- darum lesen: Ein Top-Experte, der richtig gut schreiben kann. Ein Buch, das Horizonte sprengt.
- darum nicht lesen: wenn man keinerlei Interesse am Universum hat.
Dabei nimmt er einen weitgehend neutralen Standpunkt ein, was wirklich erfrischend ist. Zumindest vor alten Völkern und deren Glauben hat er Respekt. Sie konnten es ja nicht anders wissen. Heute allerdings – das lässt er zwischen den Zeilen durchblicken – sollte jeder bitteschön Glauben an einen Schöpfer beispielsweise überwunden haben.
Schade, dass er selbst bei wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ganz ehrlich ist. Evolution ist Fakt. Das stimmt. Aber halt nicht die Entstehung der Arten durch Evolution. Entweder er ist ein Ignorant, überschätzt Wissenschaft maßlos oder kennt sich nicht ausreichend aus in der Wissenschaft. Erscheint mir alles als unwahrscheinlich. Er behauptet das der Einfachheit halber. Schon ok. Komplexe Themen. Darf man schonmal seine eigene Sicht der Dinge forcieren.

Außerdem sagt er, die alten Geschichten und Mythen seien nicht schlechter als unsere. Das stimmt. Die Mythen dieses Buches sind Paralleluniversen und ineinander verschachtelte Universen, Zeitreise durch Wurmlöcher, die Unendlichkeit, und vor allem: Außerirdisches Leben. Ist mir ein bisschen viel außerirdisches Leben, ehrlich gesagt. Es scheint seine größte Leidenschaft und seine größte Hoffnung zu sein. In gewisser Weise berechtigt, denn meiner Ansicht nach fällt es Menschen dann leichter, eine gemeinsame Identität zu finden, wenn es Einflüsse von außen gibt.
Sagan formuliert aber noch eine andere Hoffnung, und die viel expliziter. Eine Hoffnung gegen die selbstzerstörerische Natur des Menschen (wie konnte sich so etwas eigentlich evolutionär durchsetzen?), gegen Kriege im großen und kleinen Maßstab. Und an dieser Stelle wird deutlich, dass Sagan das Buch 1980 veröffentlicht hat. Denn er setzt auf körperliche Zuneigung zu Kindern und freier Entfaltung von Teenagern, insbesondere in sexueller Hinsicht. Fast 40 Jahre später ist allerdings klar, dass diese Hoffnung vergebens war, angesichts aktueller weltgeschichtlicher Entwicklungen und dem Aufstieg verschiedener Extremismen vielerorts.
Dazu kann ich an dieser Stelle nur sagen: Meine Hoffnung ist Jesus.
Trotz allem ein fantastisches Buch. Und auch, wenn seine und meine Grundaussagen über das Leben gänzlich unterschiedlich sind, ist es eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe.
Carl Sagan // Cosmos
Paperback Edition 2013 // 1980
Ballantine Books // Random House
365 Seiten

