
Éric-Emmanuel Schmidt // Monsieur Ibrahim et les Fleurs du Coran
Reclams Rote Reihe würde vermutlich niemand lesen, der nicht gerade die entsprechende Sprache lernt, bzw. sie trainieren möchte. Dafür ist sie aber bestens geeignet und Monsieur Ibrahim ist noch dazu eine großartige Geschichte.
- darum lesen: sehr schöne Geschichte in relativ einfachem Französisch
- darum nicht lesen: recht viel Umgangssprache – erschwert also das Lernen
Monsieur Ibrahim ist eine sehr knappe, dichte Geschichte, ursprünglich für das Theater geschrieben. Es geht um das Leben, Verluste, den Umgang damit und wie man letztendlich glücklich werdem kann. Die Antworten darauf gibt fast alle Monsieur Ibrahim, ein vermutlich türkischer Sufi. Und er gibt sie einem 11-jährigen jüdischen Jungen.
Diese zwei Charaktere, drehen sich um sic selbst und umeinander wie die Derwische, die Momo und Monsieur Ibrahim auf einer ihrer Reisen besuchen. Beide muss man einfach gernhaben, den einen, weil er übermäßig weise und freundlich ist, den anderen allein aus Mitleid: Die Mutter hat ihn verlassen, der Vater ist erst geistig abwesend, nach seinem Freitod auch körperlich. Das Liebesdefizit füllt er bei Prostituierten, deren Lohn er sich nur durch Diebstahl leisten kann.
Damit wäre das erste Themenspektrum genannt, das zweite ist die Frage nach dem Glück und was Beziehungen damit zu tun haben. Der dritte Themenblock ist Spiritualität und Vergebung. Um diesen Dreiklang zu choreographieren spielt die Geschichte an drei Orten: Paris, die Normandie und schließlich die Türkei.
Und dann wäre da noch Momo, der mit dem Verlust wichtiger Personen in drei Stufen immer besser zurechtkommt.
Das Ende ist hochdramatisch, die Fragen, die die Geschichte aufwirft, etwa zu dem Verhältnis zwischen Mutter und Sohn, werden sehr elegant und versöhnlich beantwortet.
Eine tolle Geschichte, zum Französischlernen aber nur bedingt geeignet. Die Sprqache ist zwar nicht zu komplex, immerhin erzählt die Geschichte ein elfjähriger Junge. Aber sie ist doch arg umgagssprachlich. Schadet natürlich nix, auch diese zu lernen, doch wird dadurch das Verständnis unnötig erschwert. Die Vokabeln am Seitenende sind nach der Lernstufe B1 ausgelegt, schwer ist es durch die Umgangssprache dennoch.
Das arg dünne Büchlein bekommt noch eine editorische Notiz spendiert, die interessante Infos zum Werk bereithält. Leider hält sie sich zu lange und auf langweilige Weise mit der literarischen Biografie des Autors auf.
Éric-Emmanuel Schmidt // Monsieur Ibrahim et les Fleurs du Coran
Reclam-Ausgabe der Roten Reihe 2003 // 2001
Philipp Reclam jun. // Éditions Albin Michel
100 Seiten
Photo by Rachid Oucharia on Unsplash

