Der Körper Gottes
Fiktion,  lesen

Friedrich Gföllner // Der Körper Gottes

Friedrich Gföllner erzählt laut Buchrücken die Geschichte eines modernen Siddharta. Es geht um die Suche nach dem richtigen Lebensweg. Klingt nicht schlecht. Doch der Autor verschenkt Potenzial: Er verzichtet weitgehend darauf, seine Geschichte zu erzählen – sondern beschreibt und berichtet lieber.

  • Darum lesen: philosophisch, spirituell, anspruchsvoll.
  • Darum nicht lesen: unglaublich langweilig, es passiert kaum was, große Distanz zum Leser.

Ben steht kurz vor dem Schulabschluss, kommt aber mit seinem Leben, der Gesellschaft und der Perspektive, die sie ihm bietet, nicht zurecht. Also bricht er die Schule ab, verlässt seine Familie und macht sich auf den Weg, den Sinn des Lebens und seine Rolle in der Welt zu finden. Soweit so bekannt. Typisches Coming-of-Age-Motiv. Mag ich ja. Catcher in the Rye, Leben eines Taugenichts, … großartig.

Show don’t tell!

Ben wird erst Musiker, entdeckt dann seine Leidenschaft für Spiritualität, lernt einen Buddhisten, später einen christlichen Mystiker kennen. Seine Lebensgeschichte im Buch endet einige Jahre später, als er längst eine Familie hat. Damit raube ich dem Leser keine Spannung. Da gibt es nichts, was es zu rauben gäbe. Die Geschichte tröpfelt vor sich hin, Ben hat kein Ziel und muss keine Konflikte bestehen, was aus ihm wird, ist letztendlich nicht von Belang.

Oder sagen wir lieber: Keiner der Konflikte, die Ben erlebt, kommt im Buch vor. Friedrich Gföllner geht Konflikten konsequent aus dem Weg. Einige Beispiele:

  • Ben steigt in eine Band ein und verliebt sich in die Sängerin, die eine offene Beziehung mit dem Bandleader führt. Was passiert? Der Konflikt wird nicht erwähnt, Ben und die Sängerin sind plötzlich ein Paar, der Bandleader wird nicht weiter erwähnt, Geschichte aus.
  • Ben lernt den Mystiker Georg Amthor kennen, der von dem Studenten Matthias gepflegt wird. Amthor beschließt, Ben solle die Pflege übernehmen, Matthias wird heimgeschickt. Was passiert? Kein Konflikt, Ben und Amthor sind plötzlich ein Pflegepaar, Matthias verschwindet, Geschichte aus.
  • Ben lernt eine junge Frau kennen, es gibt sexuelle Begegnungen, es entwickelt sich eine Brieffreundschaft (wird nur berichtet), sie treffen sich wieder, Ben weist sie zurück. Was passiert? Ben haut einfach ab, der Leser hört nie wieder ein Wort von ihr.

Ständig bahnt sich etwas an: Beziehungen, neue Jobs, Umzüge, … dann macht Gföllner einen Sprung in seiner „Erzählung“ und wir Leser erfahren von den eigentlichen Ereignissen in Form eines kurzen Nachberichts. Fast auf jede Seite möchte ich in Großbuchstaben SHOW DON’T TELL ins Buch schreien.

Insbesondere bei Ben gibts noch ein weiteres Problem. Er ist weitgehend passiv und antriebslos. Dinge geschehen mit ihm, nicht er handelt – und wenn er doch handelt, dürfen wir Leser nur selten mit dabei sein – er lässt sich einfach treiben, wankelmütig folgt er den Ansichten seiner jeweiligen Lebensbegleiter. Kann sich nie entscheiden, ob er Alkohol, Rauchen, Drogenkonsum, Fleisch jetzt gut oder doch eher schlecht findet.

Das heißt, im Endeffekt darf ich in Der Körper Gottes Menschen dabei beobachten, wie sie sich unterhalten, spirituelle Theorien austauschen und sich an Dinge erinnern. Hm.

Distanz zum Leben, Distanz zu den Figuren

Genau das ist auch der Grund, warum die Figuren so distanziert bleiben, warum mir Ben und sein Leben vollkommen wurscht sind. Das ist schade, denn so habe ich auch überhaupt kein Interesse daran, mich mit den philosophischen und spirituellen Gedanken der Figuren auseinanderzusetzen. Spiritualität wird in Der Körper Gottes vor allem als Distanz zum Leben und zu den Menschen beschrieben. Dabei war – wenn ich den Gföllner richtig verstanden habe – genau das Gegenteil beabsichtigt.

Gföllner scheint sich ja auch auszukennen. Aus den biografischen Angaben geht hervor, dass er selbst einige Zeit bei einem Mystiker in Süddeutschland verbrachte. Er kann eine ganze Palette Mystiker, Esoteriker und Pseudowissenschaftler in seinem Buch unterbringen: Ekkart Tolle, Carl Huter, Masaru Emoto und andere Scharlatane kommen zu Wort, bzw. werden erwähnt.

Ja, Scharlatane. Halte diese Menschen und ihre Theorien weitgehen für gefährlich bis dämlich. Für mich ist das esoterisches Geblubber. Friedrich Gföllner hatte die Chance, in seinem Buch diese besondere Form der Spiritualität anhand von einer Geschichte lebendig werden zu lassen, nahbar zu machen. Erzähl mir doch, warum die Figuren im Buch diese Theorien gut finden, was sie mit ihnen anstellen, wie sie sich auf ihr Leben auswirken, welche Probleme sie damit haben. Das findet aber alles nur am Rande statt und – wie gesagt – nur in Berichtsform.

Keine christliche Mystik

Übrigens handelt es sich bei Georg Amthor – anders als auf dem Buchrücken behauptet – um keinen christlichen Mystiker. Eine Person Namens Jesus Christus spielt zwar eine Rolle und irgendwie gehts auch um Liebe, aber mit der Bibel, dem zentralen schriftlichen Werk des Christentums, hat das alles absolut nichts zu tun. Aber gut, scheint im esoterischen Spektrum – beispielsweise Eckart Tolle – üblich zu sein, dass man sämtliche theologischen Sichtweisen sämtlicher Konfessionen ignoriert, weil man selbst die einzig wahre Bedeutung der Bibel erfasst hat. Stichwort Erleuchtung.

Einige haarsträubende, angeblich christliche Botschaften des Buches:

  • Die Gegenwart Jesu Christi muss irgendwie errungen werden. Sie ist eine Art Privileg für besonders heilige Mystiker. ⇾ Die Bibel lehrt das genaue Gegenteil. Jesus ist immer bei uns, jederzeit, überall.
  • Die Seelen von Menschen und Tieren vereinen sich. ⇾ Steht nirgends auch nur ansatzweise in der Bibel. Ist eher ein pantheistischer Gedanke.
  • Der Mensch ist Gott, zumindest in seiner idealen, aber erreichbaren Form. ⇾ Aus biblischer Sicht ist genau das die Ursünde.
  • Gott ist in Georg Amthor ein natürlicher Gott geworden. ⇾ Laut Bibel ist er das bereits in Jesus Christus geworden.

Also: Christlich ist an diesem Mystiker und in diesem Buch gar nix. Im Gegenteil verbreitet er bzw. das Buch furchtbare Irrlehren über das Christentum.

Zum Stil

Friedrich Gföllner strebt einen klaren Stil an. Das ist lobenswert. Gelingt ihm aber nicht. Seine Formulierungen sind oft unbeholfen, er verwendet viel zu oft Passivformulierungen und Substantivierungen. So trägt der Stil dazu bei, dass das Problem der Distanz verschärft wird.

Nun ist aber gut. Ich wünschte wirklich, mir würde das Buch besser gefallen. Von allem, was ich von Friedrich Gföllner weiß, scheint er sympathisch zu sein. Und Der Körper Gottes scheint zumindest in Teilen autobiografisch zu sein. Da wünschte ich mir umso mehr, das Buch könnte mich begeistern.

Friedrich Gföllner // Der Körper Gottes
Erstausgabe 2019 // Rezensionsexemplar
Masou
343 Seiten

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