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Joana Breidenbach und Ina Zukrigl // Tanz der Kulturen

Habe fix mal ein Buch zu Recherchezwecken eingeschoben. Tolles Buch. Vor 20 Jahren zumindest. Inzwischen sind die Aussagen zur Globalisierung teilweise widerlegt. Die vielen lebhaften Beispiele zu kulturellen Absurditäten aus der ganzen Welt und aus den vergangenen 200 Jahren sind aber immer noch äußerst amüsant. Und die Kernaussage zu globaler Kultur ist halt einfach mal sauwichtig.
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  • darum lesen: interessante Beispiele, wichtige Inhalte …
  • darum nicht lesen: … aber letztendlich dennoch ein Nischenthema
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Das Buch Tanz der Kulturen ist fast 20 Jahre alt. Ich las es vor etwa 10 Jahren zur Vorbereitung auf meine Zwischenprüfung zum Thema Globalisierung. Krass, wie viel ich davon behalten habe. Da gibt es zum Beispiel einen Funfact, den ich schon x Mal erzählt habe und gar nicht mehr wusste, dass er aus diesem Buch stammt: Brasilien ist gleichzeitig der weltweit größte Orangensaftexporteur und ein wichtiger Fantaimporteur – während die Bevölkerung zu weiten Teilen an Vitamin-C-Mangel leidet.E

Ein Buch zum zweiten Mal zu lesen, das man beim ersten Mal kommentiert und unterstrichen hat, ist ein Vergnügen. Zum einen weil Selbsterfahrung. Zum anderen, weil superschnell. Hätte allerdings teilweise ausführlicher sein können, so scheint Appadurai zur Identitätsbildung in virtuellen Umgebungen etwas interessantes sagen zu können, ich habe mir aber leider nicht aufgeschrieben, wo er das sagt.

Ok, zum Buch selbst: Die Autorinnen wehren sich gegen kulturimperialistischen Pessimismus. Alles halb so wild, sagen sie, Globalisierung schafft keine McWorld. Stattdessen trägt sie dazu bei, das kulturelle Angebot weltweit anzupassen. Konsum und Rezeption dieses Angebots passen sich aber nicht an und so bleiben Kulturen zumindest teilweise regional. Und während gefühlte regionale kulturelle Grenzen aufweichen, entstehen ganz einfach woanders neue, beispielsweise crossnational im Internet. Kultur ist ohnehin überall auf der Welt synkretistisch, also angepasst, übernommen und eine Melange verschiedener Einflüsse.

Das alles belegen sie durch fantastische, in höchstem Maße unterhaltsame Beispiele. So berichten sie von einem bestimmten Stoffmuster, das als typisch indisch gilt. In Wirklichkeit aber das Ergebnis eines Abstimmungsprozesses im 18. Jahrhundert zwischen indischen Produzenten und englischen Verkäufern ist, bei dem ein Muster gefunden werden sollte, das Engländer gerne kaufen – als vermeintlich typisch indischen Stoff.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich einige Dinge dann aber doch anders entwickelt, als vermutet. Zwar ist China inzwischen tatsächlich eine Wirtschaftsmacht, Brasilien und Indien sind aber nach wie vor eher Schwellenländer. Insgesamt ist auch die Armut nicht dramatisch zurück gegangen. Im Gegenteil: Es ist genau das eingetroffen, was die Globalisierungskritiker vor 20 Jahren befürchtet hatten: Die Einkommensunterschiede wuchsen auch in westlichen Ländern.

Technisch gesehen ist außerdem so viel passiert, dass Aussagen über das Internet beispielsweise etwas lächerlich und unbeholfen wirken.

Dennoch ein hervorragendes und unterhaltsames Buch. Gut zu lesen zusammen mit Baylys Werk Die Geburt der modernen Welt.

Joana Breidenbach und Ina Zukrigl // Tanz der Kulturen
Erste Auflage 1998
Verlag Antja Kunstmann
234 Seiten

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