
Malte Detje // Im Zweifel für Gott
Malte Detje kenne ich von Twitter, wo er leider nicht mehr aktiv ist. Er ist Pfarrer, und das mit Leidenschaft und Überzeugung. Sowas mag ich ja und deswegen wollte ich auch sein Buch Im Zweifel für Gott lesen.
- Darum lesen: Sehr seelsorgerisch geschrieben, mit ganz viel Liebe für Gott und den Menschen.
- Darum nicht lesen: Wer ein Buch voller rationaler, apologetischer Argumente erwartet (was rein vom Titel her denkbar wäre), wird enttäuscht.
Einen Menschen, den man nur über irgendwelche Social-Media-Plattformen kennt, kennt man eigentlich nicht wirklich. Wenn ich jetzt sage, Malte Detje kommt in seinem Buch Im Zweifel für Gott sehr authentisch rüber, ist das letztendlich wenig Wert, denn ich weiß ja gar nicht, ob der Eindruck stimmt. Er scheint ein sehr freundlicher, nachdenklicher junger Mann zu sein, mit einem großen Herzen, vor allem für jene Christen, die von Gott enttäuscht wurden.
In seinem Buch geht Detje auf sechs typische Fälle ein:
- abhanden gekommenes Gefühl der Nähe Gottes
- bedeutungslos gewordener Lobpreis
- Widersprüche der Bibel
- ständiges Kämpfen mit den gleichen Sünden
- Enttäuschung von der Kirche
- das Fehlen einer göttlichen Berufung für das eigene Leben
Einen siebten Fall lässt er aus: Die Erfahrung von Leid. Dazu schreibt er im Nachwort:
Es ist dieses eine erdrückende Thema, das ich ausgespart habe: die Frage nach dem Leid. Diese Frage war mir offen gestanden zu groß.
Damit ist das Buch quasi unvollständig. Und das ist natürlich schade. Aber toll, dass er das Thema nicht einfach ignoriert, sondern offen zugibt, dass es zu groß für ihn ist. Trägt zur bereits erwähnten Authentizität bei. Und die halte ich bei einem solch seelsorgerischen Buch für wichtig.
Seelsorgerischer Ansatz
Genau das ist die Absicht des Buches: Dem Leser seelsorgerisch gut zuzusprechen. Malte Detje scheint gerne mit Menschen zu reden, ihnen zuzuhören, sich einzufühlen und bei Bedarf und dort, wo er kann, etwas in die jeweilige Situation hineinzusprechen. Das tut er in diesem Buch dem unbekannten Leser gegenüber ständig.
Mich hat das berührt. Zumindest bei jenen Fällen, die für mich relevant sind. Ja, dieses Gefühl der Gottesnähe spüre ich manchmal ganz stark und wenn es mir eine längere Zeit fehlt, dann fehlt eben was. Da tut es gut, zu lesen, wie wenig entscheidend meine Emotionen letztendlich sind:
Emotionen sind nicht das Fundament des Christentums […] Am Ende ist es nicht entscheidend, ob du etwas fühlst oder nicht, sondern dass Gott etwas fühlt.
Und ja, auch der Lobpries fühlt sich für mich manchmal leer an und die Happy-Clappy-Christen mit dem beseelten Lächeln erscheinen mir eher abstoßend und aufgesetzt. Da tut es gut, zu lesen, dass all das beim Lobpries gar nicht so wichtig ist.
I can’t live by what I feel
Mark Hall, zitiert in: Im Zweifel für Gott
But by the truth your word reveals
I’m not holding on to you
But you’re holding on to me.
Die anderen Kapitel haben mich aber weniger angesprochen – und dann hilft mir der seelsorgerische Zuspruch auch recht wenig, dann bräuchte ich eher harte theologische Vollkornkost.
Theologie: Viel Luther
Malte Detje ist Pfarrer einer evangelisch-lutherischen Gemeinde. Da sollte es nicht übermäßig überraschen, dass Luther ein wichtiger Grundpfeiler seiner Theologie ist. Und dieser Grundpfeiler ist ja auch nicht das Schlechteste. Ich mag Luther. Mir wars trotzdem a bisserl viel.
Gut dagegen, dass er immer wieder das Evangelium betont, dass er erklärt, was die Grundlage des christlichen Glaubens ist, nämlich die Erlösungstat Jesu am Kreuz. So ist letztendlich die Antwort auf alle Zweifel und Enttäuschungen: Du musst gar nix, die Andern müssen auch nix, keiner muss irgendwas, weil Jesus hat schon alles getan.
Deswegen verwässert er aber nicht den Glauben. Es geht nicht um billige Gnade. Es ist eher so, dass Herr Detje gewissen Forderungen und Anforderungen Platz einräumt – und dann letztendlich sagt: Na ja, darauf kommts aber halt letztendlich nicht an.
Insofern würde ich dieses Buch jedem empfehlen, der grad eine schwere Zeit durchmacht, der zweifelt, an Gott oder sich selbst, der mit den hohen Ansprüchen seiner Gemeinde oder bestimmter theologischer Richtungen nicht zurecht kommt.
Inhaltliche Differenzen
Natürlich stimme ich nicht in allen Dingen mit dem Autor überein. Thema Berufung beispielsweise. Klar kann es befreiend sein, zu hören, dass nicht jeder Christ ein Moses ist, bzw. sein muss. Aber schön wärs schon, wenn Gott die Dinge, die er in mich reingelegt hat, auch einsetzen wollte. Stellenweise klingt Im Zweifel für Gott eher so, als ob ich besser mit dem zufrieden sein sollte, wie mein Leben eben gerade aussieht. Und nur weil ich etwas kann oder gerne mag, heißt das noch lange nicht, dass das meine Berufung ist. Ein Ruf kommt laut Detje von außen. Finde ich schade für all jene, die leider von niemandem gerufen werden, aber richtig was zu bieten hätten.
Wenn ich Detje richtig verstehe, will er im Endeffekt den Druck rausnehmen. Das ist natürlich gut. Befreiender fände ich aber, träumen zu dürfen – dass aber die Tatsache, dass sich meine Träume bzw. meine Berufung noch nicht voll entfaltet hat, nicht heißt, dass sie sich nie entfalten wird. Die Bibel sagt mir, dass ich niemals zu jung oder zu alt bin, Gottes Plan für mein Leben zu entdecken – selbst wenn ich mein Leben lang auf dem falschen Dampfer war.
Ich glaube nicht, dass jeder Mensch, zu jeder Zeit an genau dem Ort ist, an dem Gott ihn haben möchte. Ich glaube durchaus, dass Menschen auch falsche Entscheidungen treffen können und es so letztendlich möglich ist, Gottes Pläne für sein Leben oder das Leben anderer Menschen zu durchkreuzen. Denn sonst müsste ja alles im Leben eines Menschen, auch das Leid, immer Absicht Gottes sein.
Die erlösende Botschaft wäre hier meines Erachtens wieder das Evangelium: Es ist letztendlich nicht wichtig, ob jemand glasklar ein göttliches Ziel für sein Leben vor Augen hat und dieses dann konsequenz verfolgt. Denn: Jesus hat alles vollbracht.
Auch die Sache mit dem Sünder sehe ich anders. Ich bin kein Sünder. Ich sündige, klar. Immer wieder und das wird wohl bis auf weiteres auch so bleiben. Aber diese Sünde ist nicht mehr das, was mich ausmacht. Ich habe eine andere Identität in Jesus.
Aber mei, das ist halt Theologie. Kann man ja gern andrer Meinung sein.
Fazit
Ich freue mich über die Ernsthaftigkeit, mit der Malte Detje schreibt (und scheinbar seinen Beruf lebt) und über das Wohlwollen, dass er seinen Lesern entgegenbringt. Das tut wirklich gut. Und sein Buch werde ich sicherlich weiterempfehlen. Immer dann, wenn da ein Mensch von einer allzu fordernden Botschaft überfordert ist, wenn Enttäuschungen von sich selbst oder anderen Menschen zu mächtig werden. Als Gegenstück zu all den herausfordernden Predigten und Botschaften, auch im Subtext mancher Gemeinden.
Es ist vollbracht
Jesus, Johannes 19,30
Malte Detje // Im Zweifel für Gott
1. Auflage 2020 // Rezensionsexemplar
SCM
202 Seiten

