
Micha Black // Wolfssaison
Ein Werwolf mordet sich durch die Modeszene von Paris. Klingt irgendwie nach trashigem Horror, ist aber eine Who-Done-It-Kriminalgeschichte. Trotz einiger Schwächen kann es das Buch mit den üblichen Verdächtigen eines jeden Krimiregals einer Buchhandlung aufnehmen.
- Darum lesen: ganz angenehme, unspektakuläre Unterhaltungsliteratur
- Darum nicht lesen: anspruchsvolle Leser werden sich von mittelmäßigen Dialogen und einigen kleinen Fehlern abgelenkt fühlen
Wolfssaison ist einerseits ein ganz typischer Krimi. Die junge Komissarin Claire mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und unorthodoxen Methoden bekommt Schwierigkeiten mit ihrem Vorgesetzten. Sie kriegt dann doch nochmal eine Chance, der Fall entpuppt sich als außerordentlich schwierig. Sie hat erste Erfolge, dann kommen die Erlittlungen ins Stocken, und schließlich kommt natürlich der Durchbruch. Quasi Standardplot. Der Leser darf sich fast die ganze Zeit zusammen mit der Kommissarin fragen, wer wohl der Werwolf ist. Weite Teile hat der Leser den gleichen Wissensstand wie sie, am Ende verheimlicht uns der Autor dann einige Dinge, die Claire weiß. Schon ok, dadurch ist das Buch spannend, aber in richtig guten Büchern kann der Autor sowas vermeiden.
Natürlich gibt’s eine kleine Liebesgeschichte, die allerdings sehr oberflächlich ist und nur im Buch zu sein scheint, weil so eine Liebesgeschichte zu erfolgreichen Büchern halt auch irgendwie dazugehört. Ne andre Funktion scheinen die entsprechenden Kapitel nicht zu haben.
Wolfssaison ist dann aber doch wieder kei ganz normaler Krimi. Denn es mischen sich zahlreiche weitere Elemente hinein, American Werewolf in Paris, Dan Brown und Miss Undercover oder vielleicht auch Der Teufel trägt Prada. Klingt jetzt erstmal nicht so schlecht. Leider bleiben all diese an sich spanende Elemente aber irgendwie an der Oberfläche, wie halt das gesamte Buch. Models zicken sich gegenseitig an, Männer sind lüsterne alte Säcke oder entwickeln sich dorthin (love interest!). Frauen, die sich durchsetzen konnten, sind machtgeile dominante Furien und alle Beteiligten in der Modebranche lügen und betrügen sich, schmieden bestenfalls taktische Zweckbündnisse. Der Vatikan wurde natürlich von einer verschwörerischen Organisation unterwandert.
Sprachlich und erzählerisch beherrscht Micha Black die Grundlagen, bemüht sich hin und wieder gar um poetische Sprache, was ihm hin und weider auch gelingt. Er hat das Gespür für die Geschichte und baut einige Wendungen ein. Aber wenigstens einer seiner Figuren hätte er mehr Tiefe verleihen können. In einem halben Absatz zu behaupten, die Kommissarinhätte habe eine schwere Kindheit gehabt, reicht halt nicht. Dubois wäre bestens geeignet gewesen. Er war doch nicht nur Vampirjäger. Was hat er alle die Jahre gemacht? War er mal verliebt? Hat er Freunde?
Mir ist das alles zu wenig und vor allem zu wenig originell. Über die Modebranche erfahre ich rein gar nichts. Letztendlich ist die Modebranche austauschbar, das Buch könnte exakt auf die gleiche Weise im Nachwuchsleistungszentrum von PSG oder sogar in irgendeinem Fischereiclub spielen. Die historischen angehauchten Hintergründe der Werwölfe und ihrer Jäger im Vatikan ist dagegen sehr gut zusammengezimmert.
Man merkt es schon: Oberflächlichkeit ist bei aller gut gebauter Spannung und bei allem handwerklichen Talent des Autors das größte Problem dieses Buches. Alles wirkt auf mich wie eine Schablone von etwas, was der Autor mal gesehen hat und auch gerne in sein Buch bringen wollte. Das kann er. Er wendet die Schablonen richtig an. Und das ist ja jetzt auch nicht verwerflich. Insofern ein gutes Debut. Der Autor hat sicherlich Entwicklungspotenzial. Aufgrund vieler kleiner Fehler und Ungereimheiten (im Plot) ist das Buch für mich aber insgesamt unterdurchschnittlich.
Micha Black // Wolfssaison
1. Auflage, 2019 // Rezensionsexemplar
Amazon KDP
369 Seiten

