Biographie,  lesen

Ute Jäger // Mein unglaubliches Leben mit einem Mann, der sein Gedächtnis verlor …

Eine tolle Geschichte. Hat mich sehr berührt und zu Tränen gerührt. Gut, das ist jetzt nicht so übermäßig selten. Aber dennocheinmal, tolle Geschichte. Herr und Frau Jäger sind zwar keine geborenen Geschichtenerzähler, aber das müssen sie auch nicht. Die Geschichte an sich ist ergreifend genug. Sie erzählen authentisch, unmittelbar. Und das packt mich.

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  • darum lesen: berührende Geschichte mit philosophischem Kern: Das Leben im Jetzt ist nicht erstrebenswert.
  • darum nicht lesen: manchem vielleicht zu neutral, zu sachlich.
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Die Autorin, die die Aufzeichnungen des Paares ergänzt, die sollte es eigentlich besser können. Schade, dass sie sich für einen sehr sachlichen Berichtstil entschieden hat. Teilweise ergänzt mit Kommentaren, die aber unnötig sind, weil das, was sie ausformuliert, bereits gesagt wurde. Und zwar subtiler in den Erzählungen der Jägers. Allzu oft klingt das, was sie schreibt, wie emotionsloses Nachgeplapper. Recht bald habe ich diese Zwischenkommentare ungeduldig überlesen. Irritiert hat mich zudem, mit welchen unterschwelligen Zweifeln sie religiöse Aussagen wiedergibt.

Ute Jäger erzählt, wie ihr Mann nach einer Hirnblutung durch ein Wunder Gottes am Leben blieb, aber sein Kurzzeitgedächtnis verlor. Nach 25 anstrengenden, hoffnungsfrohen, lustigen, schweren Jahren findet er es wieder. Einfach so. Auf der Straße. Als ob es ihm aus der Tasche gefallen wäre und es jemand auf einem Steinmäuerchen abgelegt hätte. Und diese Geschichte hat Kraft. Sie lebt nicht von der Spannung darauf, was passiert (das ist ja alles im Titel erzählt) sondern wie es passiert. Wie schön wäre es, diese Geschichte in etwas lebendigerer Sprache lesen zu dürfen, in hübschen Worten, in etwas Poesie und mit etwas mehr Leidenschaft.

Das Buch zeigt, was es bedeutet, ausschließlich im Jetzt zu leben. Welche Qual Demenz sein kann und welche Hoffnung Angehörige komatöser und geistesabwesender Patienten haben dürfen. Vor dem Hintergrund dieses Buches wirkt Eckart Tolles Botschaft lächerlich, billig und substanzlos. Das Leben findet nicht im Jetzt statt, nicht ausschließlich. Es ist eine verknüpfte Abfolge von Momenten. In der Erinnerung, in der Hoffnung wird der Moment erst Lebendig. Bezug nehmen können zur Welt, sich hineinversetzen können in Andere. Sich auf etwas freuen dürfen. Das alles geht nur, wenn man nicht ausschließlich im Jetzt lebt. Hoffnung kann es nur geben, wenn es sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft gibt. Und diese Hoffnung – das haben auch die Jägers erlebt – kann nur Gott geben.

Ute Jäger, Bettina Klee mit Theo Jäger // Mein unglaubliches Leben mit einem Mann, der sein Gedächtnis verlor und nach 25 Jahren wiederfand
1. Auflage 2015
adeo
209 Seiten

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